MPU und Medizinalcannabis

neues Gesetz: Viele Fragen bleiben offen

Mit der Einführung des neuen Cannabis-Gesetzes (CanG) im Zuge der Cannabislegalisierung, sind die Folgen einer ärztlichen Medizinalcannabisverordnung für die Straßenverkehrssicherheit und MPU-Anordnungen nach § 13a (FEV) weiterhin unklar. Dies gilt vor allem für die Folgen aus Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (dort 9.4 Medikamentenmissbrauch).

Der folgende Beitrag soll Cannabis-Patienten auf mögliche Konsequenzen aus der Anwendung des neuen Gesetzes aufmerksam machen, um unangenehme Überraschungen mit MPU-Anordnungen wegen Medikamentenmissbrauchs zu vermeiden.

Ärtzliches Gutachten und MPU-Anordnung als behördliche Frage zu Medikamenten*missbrauch* (Medizinalcannabis und andere Medikamente)
 

Medizinalcannabis-Patienten aufgepasst: Was das "Ultima Ratio"- Prinzip anbelangt, so gilt dies in Bezug auf eine ärztliche Indikationsstellung bei Cannabisverordnungen auch weiterhin, denn es geht um Medikamentenverordnungen (vgl. z.B hier: https://www.kbv.de/html/cannabis-verordnen.php)

Zwar ist medizinisches Cannabis als Medikament über den §24a(2) StVG ("bestimmungsgemäßer Konsum") erlaubt, jedoch wird dort ausdrücklich auf den "bestimmungsgemäßen Konsum" hingeweisen. Ergeben sich also für die Fahrerlaubnisbehörde Hinweise (Hinweise jeglicher Art, alles was auf einen nicht bestimmungsgemäßen Konsum hindeutet, z. B. fehleneder Cannabisausweis, fehlende Krankengeschichte, fehlender Behandlungsplan, fehlende/nicht passende Rezepte),dann kann (nicht muss!) die Führerscheinstelle eine MPU anordnen, um Zweifel aufzuklären.

Ein mit Bedacht verordnender Arzt wird im Rahmen seiner Diagnostik, Indikationsstellung und Aufstellung des Behandlungsplans immer Abwägen, ob er Blüten oder Öle/Tropfen/Essenzen verschreibt und wenn Blüten, dann eher Vaporisierer; Blüten jedoch eher als "Ultima Ratio". Auch Medikamente als "legale Drogen" können Auswirkungen auf die Gesundheit und die Fahrtüchtigkeit haben, auch wenn sie nicht mehr auf der Betäubungsmittelliste stehen. Hier gilt es, den Cannabis-Patienten gut aufzuklären. Nabilon als Wirkstoff steht dabei weiterhin auf der BTM-Liste.

Es spielt jedoch für die Herleitung von Eignungszweifeln für die MPU  keine Rolle, ob ein Stoff legal oder illegal ist (vergleiche die hoch toxische Volks-Droge Ethanol (Alkohol) und die damit einhergehenden MPU-Anordnungen bei Alkohol-Missbrauch). Eine Cannabismedikation ohne Behandlungsplan und Aufklärung über Auswirkungen auf Risiken einer berauschten Verkehrsteilnahme, wäre dabei ein Risiko sowohl für den Patienten und den Medizinalcannabis verordnenden Arzt. Es gibt immer noch keinen Beipackzettel ("Risken und Nebenwirkungen").

Betrachtet man die ärztlichen Verordnungsvorschriften (KBV) sollen auch weiterhin zunächst andere Wirkstoffe ausprobiert werden, je nach Indikationsstellung. Hierbei handelt sich um rein medizinische Fragestellungen, noch keine Fahreignungsfragen.

Medizinalcannabis und Formen des ADHS

ADHS ist z. B. ein heikles Thema, weil fahreignungsrelevant, auch wenn nicht in der Anlage 4 zur FEV aufgeführt und für sich genommen kein eigener MPU-Anordnungsgrund (vgl. VGH München 11 CS 20.203), bei Medikamentenmissbrauch, einschlägigen Vordelikten, weiteren Umständen wie Fahrfehlern, Unfällen, jedoch schon.

Nicht nur Fachärzte wissen, dass sog. "Downer" wie THC als Wirkstoff für Ärzte geradezu ein Hinweis darauf sind, dass gar kein "richtiges" ADHS vorliegt, da diese Patienten normalerweise auf Stimulanzien ("Pusher") wie Amphetamin und deren Derivate positiv und mit besserer Konzentrationsfähigkeit reagieren. Aber: wenn es denn hilft und wesentlich den Leidensdruck lindert, würden Ärzte Medizinalcannabis verschreiben, und sie können es natürlich auch (bestimmungsgemäß) einnehmen.

Je weiter Diagnose-Indikationsstellung und Behandlungsplan/Medikation auseinanderliegen, desto eher kommen Missbrauchsannahmen auf und ruft dies eine aufmerksame Sicherheits-Behörde wie die Führerscheinstelle auf den Plan.

Ärzte werden also hoffentlich qua ihrer Fachqualifikation und ihre Eides genau hingucken, was sie tun und Abwägen. Patienten müssen mögliche Folgen für ihren Führerschein, die MPU, die Arbeit und die Freiheit ihrer Mobilität im Blick behalten. Die besonders fachlich qualifizierten Verkehrsmediziner sollten ihre ärztlichen KollegInnen gut aufklären. Wissen - schafft - Sicherheit.

THC - Medikamentenmissbrauch und die Beurteilungskriterien

Medikamentenfragestellungen treten erst bei Missbrauch des Medikamentes auf (Anlage 4 zur FEV, 9.4, ). Es handelt sich bei den MPU-Anordnungen um Fragen zu *Medikamentenmissbrauch* sog. M-Fragestellungen lt. Beurteilungskriterien (BUK 4), nicht D-Fragestellungen wie bei Drogenmissbrauch, z. B. Koks etc.). So ist es auch bei vielen Drogendelikten. Handelt es sich z.B. bei der Drogeneinnahme eher um eine (illegale oder legale) Selbstmedikation, dann geht eine Drogenfragestellung in eine Medikamentenmissbrauchsfragestellung über. Dieser Aspekt ist auch für die Führerscheinstellen anspruchsvoll mit Blick auf eine MPU-Anordnung, um Sicherheitsbedenken per MPU ausräumen zu lassen.
 

Auch was den Cannabisbesitz von verordnetem, also Medizinalcannabis anbelangt ist nicht bekannt, ob derzeit (Update: 01.05.2024) schon die ärztlich zu verordnenden Höchstmengen für 30 Tage Medizinalcannabis geändert wurden. Diese lagen zuletzt noch bei 100 Gramm. Liegen nun deutlich mehr zu Hause rum, dann ist das für die Führerscheinstelle ggf. ein weiterer Hinweis ("weitere Umstände") um auf THC-Missbrauch oder Medikamentenmissbrauch, nicht bestimmungsgemäßen Konsum prüfen zu lassen und Zweifel an der Fahreignung herzuleiten. Eine Behörde kann durchaus "weitere/besondere Umstände und Zweifel" herleiten, die nötig sind, um eine  Fahreignungsuntersuchung anzuordnen, wie z.B. auch angesichts einer untypischen ADHS-Medikation mit Cannbisblüten, Depressionen oder einer früheren illegalen Selbstmedikation.

Einzelfallbetrachtung ist nötig

Gegen eine solche Anordnung nun aber rechtlich vorzugehen, dauert lange, ist teuer und mit unsicherem Ausgang verbunden. Eine MPU -die ja gerade zur Klärung von Eignungszweifeln als Entlastungsdiagnostik gedacht ist, sollte da wesentlich schneller und günstiger zum Erfolg führen.

Ich persönlich (als MPU-Berater) würde eine alternative Medikation oder Verabreichungsform - ohne Rausch und schädliche Rauch-/Verbrennugswirkung als unerwünschte Nebenwirkung für die Gesundheit und das Autofahren - einer Rauschmittelmedikation immer vorziehen, wenn irgendwie möglich wegen der Flexibilität und Fahrsicherheit. Wenn schon nötig, sollte man aber eher über Tropfen und Vaporisierung nachdenken. Auch an dieser Stelle wird eine individuelle Form der "Ultima Ratio" sichtbar, aber auch ein Hinweis auf "schlechte" Behandlung oder gar Missbrauch, wenn bei Medizinalcannabis als Medikation anders gehandhabt.

Konsequenzen für die MPU Anordnung und Fahreignung

Bzgl. Fahreignung geht es bei Medikamenten auch weiterhin um den "bestimmungsgemäßen Konsum", die Compliance (Einnahme lt. Behandlungsplan) und Auswirkungen auf die Fahrsicherheit (verantwortungsbewusster/sicherheitsbewusster Gebrauch), weshalb die Leistungstestung bei einer MPU unter Medikation lt. Behandlungsplan und "Fahrplan" erfolgen muss.

Das Leben scheint einfacher ohne Medizinalcannabis 

Je nach Behandlungsplan sollten Patienten ("normale Konsumenten" natürlich auch) z.B. min. zwei Stunden nach Verabreichung nicht fahren, wenn THC-Blüten mit berauschenden Wirkstoffen verordnet wurden. Cannabisausweis und Rezepte sollten normalerweise "ausreichen", aber wenn es einen Anlass gibt, kann die Behörde auch weiterhin Zweifel herleiten. (Die Gesetzesbezüge und Gründe stimmen natürlich nach der  Gesetzesänderung zum CanG und der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) sowie Anlage 4 zur FEV 01. April 2024 größtenteils nicht mehr.)
 

Um die Klärung dieser Fragen geht es dann in der M(P)U, und die Patienten erhalten Gelegenheit die behördlichen Zweifel auszuräumen. D.h., wenn irgendwie möglich, würde ich eine Cannabismedikation vermeiden, um nicht immer in den behördlichen MPU- und Mobilitätskonflikt zu geraten (Gutachten/Behandlungsplan, Verordnungen natürlich immer im Auto haben). Auch hier sehe ich eine Form der "Ultima Ratio".
 

Aber, als gute Nachricht für möglicherweise unwissend betroffene MPU-Kandidaten: Derzeit (Update 01.05.2004) herrscht noch Rechtsunsicherheit und ggf. können sie auf Anfrage bei der Behörde (ggf. mit Rechtsbeistand) ohne MPU bzw. auf seltsam anmutende, umständliche Einzeluntersuchungen (ärtzliches Gutachten und Leistungstests) davon kommen.
 

Berlin z. B. würde derzeit wahrscheinlich (aus der bisherigen Fallerfahrung) die vielen Rechtsstreitigkeiten scheuen und in ihrem Fall auf eine MPU-Anordnung verzichten. In Brandenburg sähe es schon anders aus, und in Richtung Süden, kümmert man sich meist intensiver um die Verkehrssicherheit.
 

Wie Führerscheinstellen mit der Thematik Medizinalcannabis und Medikamentenmissbrauch umgehen werden, darüber liegen jedoch insgesamt noch zu wenig Erfahrungswerte vor, und es gab auch bereits vor der Cannabislegalisierung eine hohe Variabilität über die Bundesländer und Führerscheinstellen.

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